„Darf ein Politiker zurücktreten?“(ZEIT) oder „Kann die Rücktreterei mal ein Ende haben?„ (FAZ) lauten die Schlagzeilen in diesen Tagen, nachdem mit dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und seiner Kultursenatorin zwei weitere Politiker ihre Rücktritte angekündigt haben. In den Medien findet nun eine zum Teil scharfe Debatte darüber statt, ob Politiker zurücktreten dürfen. Auch in Blogs wird die Debatte geführt. Die Fette Henne sieht eine „Generation der Amtsmüden“ am Werk, die sich aus der Verantwortung stehlen. Dabei fällt auf, dass insgesamt auf einer sehr oberflächlichen Ebene debatiiert wird. Wie schon beim spektakulärsten Rücktritt dieses Jahres von Bundespräsident Köhler, fragt kaum jemand nach den wahren Gründen der Rücktritte. Und wenn, dann geschieht dies wie bei dem bekannte Blog F!XMBR, wo über einen „Mißbrauch der Demokratie“ geschrieben wird, weil die Rücktritte machttaktisch motiviert seien, den jeweiligen Nachfolgern ins Amt zu verhelfen, und so den Wählerwillen verfälschten. Spannend ist es, die Rücktritte aus dem Blickwinkel der Big Five for Life zu betrachten.
Kann es richtig sein, dass Politiker immer weiter an Dingen arbeiten sollen, die gegen ihre Überzeugungen sind? Dem Rücktritt von Beusts als Hamburger Erster Bürgermeister ist eine längere Phase expliziter Kritik an den Zuständen in der Hansestadt vorausgegangen. In einem lesenswerten Interview mit der Süddeutschen etwa kritisierte von Beust die zunehmende „Angeberei“ mit großem materiellen Wohlstand in Hamburg in Zeiten, in denen es vielen Menschen schlecht geht. Offen nannte Beust vorhandene Ressentiments bürgerlicher Wähler gegen Migranten. Klarer kann man seine Position kaum deutlich machen. Warum soll ein Politiker wie von Beust nicht zurücktreten dürfen, wenn eine Mehrheit dann anderer Meinung ist und diese Ressentiments in der Frage der Schulreform offenbar ausschlag gebend werden? Vielleicht, weil er diese Gründe nicht angibt, sondern private Lebensplanung vorschiebt? Nun, man darf getrost davon ausgehen, dass ein Vollblut-Politiker wie Ole von Beust die Mechanismen der Kommunikation in der Mediengesellschaft bestens kennt: Er darf nach außen diplomatisch sein und seine Schlüsse privat ziehen. Wie gesagt: Klarer konnte er seine Position kaum machen. Dann sollen andere diese Mehrheit repräsentieren und führen. Undemokratisch ist es jedenfalls nicht, sich nicht vor einen falschen ideologischen Karren spannen zu lassen. Ole von Beust ist ein Politiker mit klaren Werten: Er stand für ein weltoffenes und tolerantes Hamburg mit bürgerlicher Eigenverantwortung. Für kleines Karo hat sich von Beust nie hergegeben. Ein Rücktritt in solcher Situation ist nur konsequent und ein Ausdruck von Führungsstärke. Die bemisst sich nämlich nicht daran, jeden zu überzeugen. Zu oft schon hat die Geschichte gezeigt, dass Mehrheiten irren können. Führungskraft erfordert die Bereitschaft, das Notwendige notfalls auch alleine zu vollziehen und dabei glaubwürdig zu bleiben. Nur dadurch bleiben Positionen erkennbar wie Landmarken, an denen sich die Mehrheit orientieren kann, wenn ihr eingeschlagener Weg in die Sackgasse geführt hat. An Ole von Beust wird sich Hamburg noch erinnern.