Eine Petition an das Universum

»Nichts geschieht ohne Grund« Ma Ma Gombe

Ein Film, über den in diesen Tagen viel geredet und geschrieben wird, ist »Eat, Pray, Love« mit Julia Roberts in der Hauptrolle. Zwar drehen sich die meisten Rezensionen mehr um die Pretty Woman und die Frage ob ihr Comeback auf die Leinwand gelungen ist, als um den Inhalt und die literarische Vorlage. Und tatsächlich ist es spürbar, dass viele Rezensenten des Films den autobiografischen Roman von Elisabeth Gilbert nicht gelesen haben können, sonst wäre ihre Kritik differenzierter ausgefallen. Doch lohnt es sich auch über das Buch zu reden und wie es Eingang in den Film gefunden hat. Und ohne den Film als solches abzuwerten, habe ich doch festgestellt, dass das Buch von einer tiefen Spiritualität durchdrungen ist, die im Film so nicht spürbar, fast ein wenig karikiert wird. Aber vielleicht stammt meine diesbezügliche Empfindung auch daher, dass ich nicht nur das Buch zeitlich vor dem Film, sondern auch noch in Form einer Originallesung von Elizabeth Gilbert selbst genossen habe. Natürlich ein ganz anderes Erlebnis! Mit am meisten beeindruckt hat mich die Schilderung, wie die Ich-Erzählerin ihren „Rosenkrieg“ um die Scheidung von ihrem Mann gelöst hat, bevor sie überhaupt auf ihre Reise aufbrechen konnte: mit einer Petition ans Universum!

Zum Hintergrund des Buches: Gilbert ist eine erfolgreiche Kolumninstin und Autorin, die mit Mitte Dreißig feststellt, dass Ihr Leben in einer Sackgasse zu Enden droht. Obwohl das Leben bis dato fast wie im Bilderbuch verlief (Ausbildung, Karriere als Autorin, Ehe, Hauskauf im wohlhabenden New Yorker Vorort), merkt die Autorin, dass die Aussicht auf Kinder, Küche und Karriere an „seiner Seite“ einen Horror in ihr auslöst. Das Paar entfremdet sich und sie beschliesst, die Notbremse zu ziehen und die Scheidung einzureichen. Daraufhin eskaliert die Lage. Ihr Mann verweigert zunächst die Einwilligung, nur um zu einem späteren Zeitpunkt Maximalforderungen zu stellen, die nicht nur den Verzicht Gilberts auf ihr gesamtes Vermögen beinhaltet, sondern auch die Beteiligung an den Einnahmen zukünftiger Werke!
Den Schlüssel zur Lösung des Konfliktes erhält Gilbert während einer Promotion-Tour auf einer Autofahrt durch Kansas von ihrer Freundin Iva. Jene Freundin, der Gilbert zwar in scherzhafter Respektlosigkeit eine „Standleitung zum Lieben Gott“ unterstellt, die sie aber ob ihrer trotz turbulenter Kindheit im umkämpften Beirut der 1980er Jahre bemerkenswerten Ruhe und inneren Stabilität bewundert.
»Ein weiteres Jahr im Streit vor Gerichten werde ich nicht aushalten. Jetzt könnte ich in dieser Scheidungs-misere mal Unterstützung von „ganz oben“ gebrauchen. Ich wünschte, ich könnte Gott ’ne Petition senden«, klagt Liz.
»Dann tu’s doch einfach!« entgegnet Iva lakonisch.
Beinahe empört versucht Gilbert ihrer Freundin zu erklären, warum das gar nicht geht: »Gebete darf man doch nicht für eigene Zwecke mißbrauchen. „Lieber Gott, mach dieses oder jenes weg, weil es mir wehtut.“ Nein, das ist doch fast Gotteslästerung! Es könnte doch sein, dass Gott mir mit diesem Problem eine wichtige Aufgabe stellt, die mich weiterbringt! Beten kann ich dann für Kraft und Mut, die jeweilige Aufgabe zu meistern!« fährt Gilbert fort.
Und ja, denke ich, dieser Gedanke ist mir sehr vertaut. Alles hat seinen Sinn! Auch schmerzhafte Erfahrungen sind lehrreich. Erst da fällt mir auf, dass dieser pietitischen Frömmigkeit, die nicht nur für amerikanische Puritaner charakteristisch ist, auch eine andere Bedeutung anhaften könnte. Iva lässt den Groschen dann auch für mich fallen, als sie ganz ruhig nachfasst:
»Wo hast du diese Schnappsidee her? Wer hat dir erzählt, du dürfest das Universum nicht um etwas bitten? Du bist ein Teil dieses Universums. Du bist eine Wahlberechtigte. Du hast jedes Recht, an den Aktionen dieses Universums teilzunehmen – und deine Haltung kundzutun! Also äußere deine Meinung, halt dein Plädoyer! Glaub mir: es wird auf jeden Fall in die Entscheidungsfindung einbezogen!«
Im ersten Moment ging es mir wie Gilbert selbst, die nur staunte: »Ernsthaft?« Doch darauf ging Iva gar nicht ein. Statt dessen fragte sie:
»Wie würde deine Petition lauten?« und zwang Liz damit, sich inhaltlich klar zu werden, was sie erbitten wolle.
Und in dem Moment hielt diese inne – und formulierte zum ersten Mal klar, präzise und mit Bedacht ihre Petition, in der sie um Hilfe zur Beendigung der Scheidung bat.

Lieber Gott!
Bitte hilf bei unserem Versuch, die Scheidung zu erreichen. Mein Mann und ich sind in unserer Ehe gescheitert und jetzt scheitern wir an der Scheidung. Dieser vergiftete Prozeß bringt Leid über uns und über alle, denen wir etwas bedeuten!
Mir ist klar, dass du jede Menge zu tun hast mit Kriegen, Tragödien und viel größeren Problemen als dem unendlichen Streit eines einzelnen gestörten Paares. Aber so wie ich es sehe wird die universelle Gesundheit beeinträchtigt von der Gesundheit eines jeden Individuums auf diesem Planeten. Solange auch nur zwei Seiten im Konflikt gefangen sind, wird die ganze Welt von davon verunreinigt.
In gleicher Weise gilt, dass wenn nur ein oder zwei Seelen von Zwietracht befreit werden, könnte das die Gesundheit der ganzen Welt stärken und verbessern, so wie einige starke Zellen das Wohlbefinden eines ganzen Körpers positiv beeinflussen.
Es ist daher mein innigster Wunsch, dass du uns hilfst, diesen Konflikt zu beenden, damit zwei weitere Menschen die Chance erhalten, sich zu befreien und zu genesen, so daß die Feindselingkeiten und Bitterkeiten auf der Welt etwas abnehmen, die ohnehin schon viel zu sehr von Leid geplagt ist.
Vielen Dank für deine freundliche Aufmerksamkeit,
hochachtungsvoll
Elizabeth M. Gilbert

»Die würd‘ ich unterschreiben«, sagte Iva zustimmend. Und als Liz ihr den Text reichte, während sie fuhr, sagte sie: »Nein, betrachte sie als von mir unterzeichnet. Wer würde sie noch unterzeichnen?«
Und dann beginnt Liz ihre die imaginäre Suche nach Menschen, die die Petition durch ihre Unterschrift mittragen würden. Die Eltern, Geschwister, Familienangehörige unterzeichnen. Doch auch historische und Personen der Zeitgeschichte von Katherine Hepburn, Martin Luther King jr., Jim Henson bis hin zu Bono, Bill & Hillary Clinton und Michael J. Fox finden sich als Unterstützer einer schliesslich mehrere Seiten langen imaginären Liste. Mehr und mehr schwindet Elizabeth‘ Angst. Zufrieden schläft sie ein. Als sie das Klingeln ihres Handies weckt, ist ihr Anwalt am Telefon: »Dein Mann hat soeben die Scheidung unterzeichnet!«

Ich habe mich an diese Geschichte erinnert, weil sie in mir die Hoffnung auf die Lösung eines ähnlich vertrakten Falles weckt. Mit einem Bekannten habe ich aktuell ein schwieriges Problem. Ich habe ihm geholfen, doch jetzt droht seine Haltung mich und meine Familie in Bedrängnis zu bringen.
Ich schreibe jetzt meine Petition an das Universum!

1 Kommentar zu „Eine Petition an das Universum“

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