Was Davos von Nordhorn lernen kann

Wenn große Probleme in Wirtschaft oder Politik anstehen, werden häufig Experten aus der Wissenschaft eingeladen, um die Debatten zu bereichern und Antworten für die drängenden Fragen der Zeit zu entwerfen. So ist es auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Wie drängend diese Fragen zurzeit sind, lässt sich daran erkennen, dass der Gründer des WEF in Davos, Klaus Schwab persönlich, einen „globalen Burnout“ befürchtet. Schade, dass Herr Schwab gestern nicht in Nordhorn war, einer niedersächsischen Kleinstadt direkt an der holländischen Grenze. Dort, in tiefer Provinz und fernab von Graubünden, hätte er erfahren können, was Davos und die Welt braucht: eine Wurmkur!
Das jedenfalls ist die Quintessenz des gleichermaßen überzeugenden wie unterhaltsamen Vortrags der Psychologin Maja Storch

auf dem Neujahrsempfang der Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim. Ihre These: Kluge Entscheidungen (Problemlösungskompetenz) kommen nicht durch den Verstand alleine zustande. Sie sind eine Folge von Übereinstimmungen beider Entscheidungssysteme des Menschen: Kopf (Verstand) und Bauch (somatische Marker). Burnout, also Überforderung, sei eine Folge der Nichtberücksichtigung des „Bauches“.

Der Verstand, so Storch, sei zwar in der Lage, präzise zu analysieren. Doch arbeite dieses im entwicklungsgeschichlich sehr jungen Cortex (Großhirnrinde) angesiedelte „bewusste“ Gehirn relativ langsam. Zum einen gehen diesem „Bewusstsein“ zahlreiche entscheidungsrelevante Faktoren verloren oder werden übersehen. Es reift zum anderen erst ab dem zweiten Lebensjahr und kann daher Erfahrungen aus der Zeit davor nicht berücksichtigen.
Der „unbewusste“ Bauch dagegen verarbeitet Informationen auf der Basis von Erfahrungen, die bereits im Mutterleib gemacht werden. Und er verarbeitet viel mehr Informationen in sehr viel kürzerer Zeit. Innerhalb von 200 Millisekunden hat er seine Entscheidungen getroffen. Der Nachteil: Der „Bauch“ kann diese Entscheidungen nicht präzise argumentieren, sondern artikuliert ein Diffuses „Bauchgefühl“ was sich durch zahlreiche somatische Marker zuverlässig messen lässt (u.a. Hormone). Wird dieses Bauchgefühl zu lange und zu oft ignoriert, entsteht die umgangssprachlich „Burnout“ genannte chronische und pathologische Überforderung. Insofern ist das Zitat Klaus Schwabs zur Weltwirtschaft durchaus zutreffend, weil das Bauchgefühl bei globalen wirtschaftspolitischen Entscheidungen schon länger nicht mehr berücksichtigt worden zu sein scheint.

Wie aber kann da eine „Wurmkur“ helfen?

Nun, es handelt sich bei diesem Wurm, von dem Maja Storch spricht, nicht um einen Parasiten, sondern um eine Illustration für das „Bauchgefühl“ – und somit um etwas positives. Strudelwürmli haben es die Forscher der Universität Zürich, wo Frau Storch arbeitet,

Das Strudelwürmli
zur Illustration ihrer vielfach bestätigten wissenschaftlichen Erkenntnisse genannt, weil es geschlechtslos ist. Das „Bauchgefühl“ ist bei allen Menschen vorhanden und somit auch geschlechtsneutral. Und es ist weit mehr als ein Bauchgefühl, sondern an Indikatoren am ganzen Körper messbar.
Weil das Gefühl nur jene diffusen Signale sendet, also nicht sprechen kann, hat das Strudelwürmli nur einen begrenzten Wortschatz, den seine „Erfinderin“ Storch aus der Comicsprache entliehen hat: Grmpfl!“ oder „Gwlp???“ sind Ausdrücke, die der Wurm für Negatives von sich gibt. „Bingo!“ lautet der Ausdruck, wenn der Wurm sich freut.Bei der Wurmkur geht es darum, den Strudelwurm (also das eigene „Bauchgefühl“) zu pflegen und auf ihn besondere Rücksicht zu nehmen. Ihn verstehen zu lernen. Da er nie mehr als Grmpfl! oder Bingo!-Laute von sich geben kann, müssen wir verstehen lernen, indem wir den Wurm fragen, was er von bestimmten Dingen hält. Wir müssen lernen, auf die Dinge zu achten, die uns unser somatisches Gehirn signalisiert.

Die Kunst besteht darin, Verstand und Bauch/Strudelwurm in Übereinstimmung zu bringen. Und zwar ohne den Bauch permanent zu überstimmen. Zwar könne es kurzfristig unschädlich sein, „das Strudelwürmli zu würgen„, also rein rational unter Missachtung vorhandener diffuser „Ahnungen“ zu entscheiden. Wenn der Verstand jedoch zu mehr als zwei Dritteln die Überhand behält, sie dies nicht nur ungesund, sondern auch langfristig unproduktiv.
Auch der Bauch alleine ist natürlich keine gute Lösung. Das Ziel bestehe darin, bei Entscheidungskonflikten durch erneute Betrachtung des Problems von verschiedenen Seiten eine Annäherung und Übereinstimmung zu erreichen. „Wenn Verstand und Gefühl unterschiedlich tendieren, fehlt eine Information und dann entscheide ich nicht,“ zitierte Maja Storch einen Underwriter, der damit die gängige Praxis der großen Rückversicherungsgesellschaften in der Welt beschrieb. Große Risiken lassen sich nicht alleine rational kalkulieren. „Wenn der Bauch „Nein“ sagt, trifft ein Rückversicherer keine Entscheidung“, so Storch. Was nicht bedeutet, dass der Bauch dominiert, sondern nur dass er ernst genommen wird, bis der Verstand den Grund des somatischen Unbehagens erkennt (auf die entsprechende Frage ruft der Strudelwurm dann „Bingo!„) und eine Lösung findet, bei dem kein „Grmfl!“ folgt.

Was das Strudelwürmli mit den Big Five for Life zu tun hat? Es kennt seine! Kennt ihr eure?? Wenn nicht, ist es Zeit für eine Wurmkur!

5 Kommentare zu „Was Davos von Nordhorn lernen kann“

  1. Pingback: Uwe Alschner

  2. Hallo Uwe,

    über „burnout“ habe ich schon einmal etwas von dir gelesen, unter nullelfnull.

    Vorab, das P. S. von Sam kann ich nur unterstreichen! Großes Lob.

    Der Ansatz von Frau Storch ist überaus interessant und hilfreich.
    Entscheidungskonflikt Kopf/Bauch als Stichworte.

    Burnout hat etwas mit Gefühlen zu tun. Durchaus!
    Nur stellt sich n i c ht für jemanden mit einem Burnout die Frage: „Wie entscheide ich mich?“
    Vielleicht ist es nicht jedem klar. Wer jemals in dieser Situation gesteckt hat, weiss, dass er sich nicht mehr entscheiden kann. Ich wüsste es nicht, wenn es mir nicht klar geworden wäre.
    Es sind die Randbedingungen, die äußeren Umstände, Zwänge, wie immer ich es auch nennen will. Diese entscheiden. Das ist kein Hamsterrad mehr. Es ist ein ausbrennen.

    Burnout hat etwas mit Gefühlen zu tun.
    Ich habe auch erkannt, dass mein Bauchgefühl mich drängen will etwas zu ändern, mehr dafür zu tun. Nur wenn du am ausbrennen bist und dieses vermutlich nicht einmal merkst, hast du nur noch Platz für Emotionen wie Wut, Frust, Angst und Unsicherheit. Freude und Liebe kennt dein Verstand noch von früher, mehr nicht. So wirst du auch.

    Worum geht es überhaupt bei den Burnouttypen? Mann oder Frau.
    Es geht um etwas, was ganz unten in der Maslow´schen Pyramide angesiedelt ist. Um etwas, dass ich/Mann/Frau schon als Selbstverständlichkeit gesehen hat.
    Es geht um ein Sehnen nach gesicherter Existenz, ein warmes Essen, etwas zu trinken
    und um ausschlafen können. Es geht ums Überleben. Das eigene, das Überleben der Mitarbeiter, das Überleben der Person von der man glaubt sie zu sein (hier schreibe ich „man“, da dieses nicht auf mich zutraf).
    Ich persönlich hatte dann nur noch einen Wunsch, ein Leben ohne Schmerzen.

    Ich glaubte auch da wieder heraus zu kommen. Irgend etwas, was wieder von selbst geht, es kam ja auch von selbst. (Stimmt ja nicht.) Ich redete mir alles schön, verheimlichte den Zustand. Ein Teil der Wahrheit ist, du schaffst es nicht mehr allein.
    Ohne Partner – sehr schwierig.

    Der Tipp aus dem elfnullelf-Block: Ernährung, Vitalstoffe.
    Wichtig in jeder Lebenslage, elementar. Ohne dem geht es sowieso nicht.
    Unbedingt.

    Das interessante ist, wenn das Gespräch mal darauf kommt,: „Du warst vor 10 Jahren mal schwer krank?“ Fast alle sehen es nicht, interessiert es auch nicht. Vielleicht ein: „Ach ja, da war doch mal was!“

    Durch einen tragischen Zufall habe ich die Ursache und den Burnout an sich erkannt.
    Nach einer Cortisontherapie.
    Für mich war die Erfahrung und die Ursache der Krankheit lebenswichtig, auch um meine big five zu erkennen.
    Ich wünsche sie niemandem.

    Warum ich dieses schreibe?

    Meinem Empfinden nach wird zu schnell das Wort burnout verwendet.
    Mein Bauch gibt ein Grmpf von sich, denn mein Verstand suggeriert mir beim lesen
    des Beitrages über Frau Storchs Buch: „Siehste, geht doch auch anders. Alles halb so wild.“

    Jetzt geht es im Beitrag jedoch um den globalen Burnout.
    Das ist eine Definitionssache.
    Individuen entscheiden. Davos gibt Hilfestellungen.
    Wir können auch Hilfestellungen geben. Ich denke da an Avaaz – bingo!

    Lieben Gruß

    Olaf

    1. Danke, Olaf, für diesen sehr persönlichen Beitrag! Bauchgefühl hat an sich mit Burnout nichts zu tun, wenn ich Frau Storch richtig verstanden habe. Er das nachhaltige Ignorieren und „Wegdrücken“ des Instiktes (gesunder Menschenverstand), führt zur Auszehrung und zum Burnout (Habe übrigens im vitalstoff-blog.de darüber geschrieben). Will hier nicht weiter darauf eingehen, was da physiologisch geschieht, aber es ist eine Form von Stress. Stress bedeutet überhöhter Vitalsstoff-Vernbrauch.was Frau Storch hier beschreibt, ist die Notwendigkeit, desen Stress zu Vermeiden, indem man auf sein Bauchgegühl hört.
      Das gelingt dir dann sehr leicht, wenn du deine Big Five for Life kennst. Welches sind deine?

  3. Meine Big Five for Life

    1
    Mit meiner Frau ihre und unsere Ziele verfolgen, dabei unserem Sohn die Möglichkeit geben seine Talente zu entdecken und ihm ein absolutes Fundament erschaffen.
    2
    Die Freiheit haben den Tagesablauf selbst zu gestalten.
    3
    Finanzielle Freiheit.
    4
    Andere befähigen erfolgreich zu sein.
    5
    Den Hunger in der Welt bekämpfen.

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