Das hörende Herz – die Big Five und der Papst

Herz„Was fasziniert dich so an diesem Big Five for Life Konzept?“ Diese Frage höre ich oft. Ganz besonders oft von Kollegen oder Wegbegleitern aus meinem politischen Betätigungsfeld. Meine Antwort ist meistens diese: weil es so wunderbar leicht und verständlich Prinzipien und Werte anschaulich macht. Weil es so intuitiv ist, und den Gehalt für Menschen, die sich mit, abstrakten und theoretischen Traktaten schwer tun oder ihnen aufgrund von Alter oder Bildungsstand noch nicht oder nicht mehr gewachsen sind.

Wie nötig gerade die Hohe Politik die Konkretisierung großer Gedanken und Ideen hat, wurde gestern deutlich, als der Deutsche Bundestag eine Sternstunde erlebte. Papst Benedikt XIV war von Bundestgaspräsident Norbert Lammert eingeladen worden, vor dem Hohen Haus zu reden. Dass sich allein um diese Einladung eine kontroverse und instrumentalisierte Debatte entwickeln konnte, ist ein Ausdruck der narzisstischen Selbstbeobachtung, durch die der politische Betrieb sich selbst und seine Akzeptanz bei den Menschen gefährdet. Denn es war in jedem Fall eine große Rede, die der deutsche Papst im Parlament seines Heimatlandes als Oberhaupt eines anderen Staates hielt. Der Bundestag hat zuletzt ganz sicher wenige Reden von solcher Qualität gehört, nicht nur wegen der Anerkennung des Papstes für die ökologische Bewegung, was natürlich bei den Grünen zu besonderem Beifall führte.

Diese Rede war ein Höhepunkt in der Geschichte des Bundestages. Auch wenn man nicht in allen Punkten mit dem Papst einer Meinung sein muss. Und in einem Punkt bin ich das tatsächlich nicht. Doch dazu später mehr.

Benedikt XVI hat die Rede dazu genutzt, um den Politikern die Notwendigkeit einer dualistischen Weltsicht vor Augen zu führen, in der es nicht allein um eine positivistische Vernunft des „Seins“ geht, sondern auch und ebenbürtig um eine spirituelle, metaphysische und ethisch-moralische Begründung des „Sollens“. Er illustrierte diesen Gedanken mit dem Salomo-Zitat aus dem Buch der Könige: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9).

Diese Mahnung ist aus meiner Sicht sehr wohl angebracht. Auch der Mensch, so Benedikt XVI, hat eine Natur, die er achten und bewahren muss. Und diese „menschliche Natur“ ist Teil und Produkt der Schöpfung, die spirituelle Bedürfnisse habe und sich nicht allein positivistisch erklären lasse. Eine wirklich wichtige Feststellung, wie ich finde.

An welchem Punkt ich mit dem Papst nicht gleicher Meinung bin? Im Aufbau seiner Rede hat der Papst ein verkürztes Verständnis des Erfolgsbegriffes angewendet. Und Erfolg ist schliesslich das, worum es bei den Big Five for Life geht! Papst Benedikt interpretierte das Zitat vom hörenden Herzen Königs Salomos:

Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich ankommen muß. Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. (…) Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit.

Was rhetorisch gelungen scheint, um die Differenzierung zwischen Recht und Unrecht und die Bedeutung einer unteilbaren Gerechtigkeit zu dokumentieren, leistet damit leider der fortdauernden Illusion der Objektivierbarkeit des Begriffes „Erfolg“ vorschub, die heute für die Gesellschaft zu großen Problemen und persönlich für viele Menschen zu Frustrationen führt. Natürlich kommt es für den Politiker auch darauf an, dass er erfolgreich ist. Fraglich ist allein die Definition dessen, was einen Erfolg ausmacht.
Und genau an diesem Punkt ist das Big Five for Life Konzept so unglaublich wertvoll! Denn wenn die Essenz des Big Five for Life Konzeptes in einem Satz formuliert werden müsste, würde dieser so lauten: Erfolg ist höchst subjektiv!

Was mich persönlich aber wirklich erstaunt hat, ist eine andere Tatsache: ausgerechnet dieser Papst, der für seine intellektuelle Schärfe weltweit Anerkennung geniesst, hat durch diese Definition von Erfolg als dem Recht untergeordneter Kategorie genau jene positivistische Weltsicht angewendet, die er mit seiner Rede ausdrücklich zu überwinden suchte. Es ist nämlich gerade nicht so, dass Erfolg ausschliesslich eindimensional-positivistisch beurteilt werden kann!

Erfolg ist ebenfalls zweidimensional: Es beinhaltet einerseits die positivistische Dimension der Zielsetzung und Zielerreichung. Und in dieser Dimension ist Erfolg tatsächlich nicht notwendigerweise „gerecht“, was sich Menschen als Erfolgsparameter setzen. Auf das Beispiel der Politik bezogen, stellt der Papst damit zu recht fest, dass der Wahlsieg alleine keine Richtschnur für die Unterscheidung zwischen „Gut“ und „Böse“ beinhaltet.

Erfolg im Sinne dessen, „was wirklich zählt im Leben“, beinhaltet aber eben auch die zweite, metaphysische und spirituelle Dimension: Ein Erfolg ist erst dann wirklich ein Erfolg, wenn das angestrebte Ziel aus dem „hörenden Herzen“ geboren wurde. Genau das, also der Zusammenhang zwischen dem Zweck der Existenz und dem, was wirklich zählt im Leben, ist der Kern des Big Five for Life Konzeptes.

Fehlt diese Verbindung, dann handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne um „das, was wirklich zählt im Leben.“
Bewerten aber, ob das, was ich mir vorgenommen habe, im Einklang mit meinem hörenden Herzen steht, kann niemand anders als ich selbst. Auch nicht der Papst.

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