Ungeduld

Illustration von Lea Lucina Seelbach für das Cover des Hörbuches »Safari des Lebens«
Illustration von Lea Lucina Seelbach für das Cover des Hörbuches »Safari des Lebens«
Ungeduld und hohe Ansprüche sind Herausforderungen, nicht nur im Leben eines Coaches. Wie mit vielen Dingen, ist auch bei diesen beiden kein einfaches schwarz-weiss-Schema angebracht. Beides ist weder grundsätzlich gut noch schlecht. Ansprüche an mich selbst etwa können ein wichtiger Motivator sein, der die persönliche Entwicklung begünstigt. Auch ein gewisses Maß an Ungeduld ist nachvollziehbar produktiv: es kribbelt in den Fingern, man mag nicht länger warten, etwas endlich angehen zu können. Allerdings gibt es auch die andere Seite: Zu große Ungeduld und zu hohe Ansprüche können eine destruktive Kraft entfalten. Wenn ich in solche Situationen gerate, in denen ich selbst oder im Rahmen eines Coachings Ungeduld und Ansprüche (an das Gelingen) spüre, greife ich gerne zur Safari des Lebens.
In der Safari des Lebens gibt es zwei Passagen, die hier weiterhelfen könnten. Eine betrifft das Thema: JETZT SOFORT, SCHNELL. Wenn also am liebsten alles sofort und gleichzeitig geschehen soll. Kinder haben diesen Impuls, doch auch Erwachsene sind nicht davor gefeit, wenn sie ihre Big Five for Life entdeckt haben.
Jack und Ma Ma Gombe wandern im Kapitel 29 durch die Savanne. Sie legen sich zum Schlafen und als Jack am nächsten Morgen aufwacht, blickt er direkt in das Auge eines Büffels. Sie liegen auf einer Wiese, wo sich um sie herum, während des Schlafens, eine riesige Büffelherde versammelt hat, die nun dort äst.
Diese Büffelherde sind eine Metapher für unsere Big Five for Life. Sie sind um uns und überall. So einfach in der Umsetzung. Und doch ist es gefährlich, einfach loszuprechen. Schritt für Schritt führt der Weg zum Ziel. Nur so bleibt alles ruhig und im Gleichgewicht. Das ist wichtig.

Die zweite Passage, die in diesem Zusammenhang Beachtung verdient, ist im siebten Kapitel die Schilderung, wie Ma Ma Gombe lernt, was es bedeutet, das Leben zu geniessen.
Bei ihr ist es der Sieg. Sie hat als kleine Schwestern kaum Möglichkeiten, sich gegen ältere Brüdern zu behaupten. Aber im Ringe Werfen ist sie besser, da kann sie alle schlagen. Weshalb sie es gerne macht und sich stets mächtig anstrengt, es ihren Brüdern immer wieder zu zeigen. Durch die Anstrengung und durch die Verengung auf das Gewinnen am Ende des Spiels, hat sie jedoch kaum Freude, aber immer grossen Stress. Der Sieg ist kaum mühsam errungen, da folgt schon wieder das nächste Spiel.
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Ihr Grossvater erklärt ihr dann, dass durch einen anderen Blickwinkel viel mehr Leichtigkeit in das Spiel kommt. Jeder Wurf sei ein Erlebnis, das es auszukosten lohne. Und es spiele keine Rolle, ob der Ring auch über die Stange fällt, solange man den Fokus auf den Wurf und die Flugbahn richtet. Auf die Möglichkeiten, den selben Ring immer wieder neu zu werfen. Mal mit Spin rechts, mal unterschnitten, und immer fällt er anders.
Gerade für Menschen auf der Suche nach ihrem Zweck der Existenz, dem Sinn des Lebens, kann es sich lohnen, diese Haltung näher anzuschauen.
Nicht selten kommt es vor, dass Menschen auf der Suche nach ihrem Zweck der Existenz sehr hohe Ansprüche an sich und ihren ZDE richten. Dass sie von Zweifel geplagt werden, ob das, was sie möglicherweise spüren, anspruchsvoll genug sein könnte.
Nichts spricht dagegen, anspruchsvoll zu sein. Doch sollte man aufpassen, dass die „Suche“ nicht zu anstrengend wird, weil es um den „Sieg“ geht? Menschen auf der Suche nach Ihrem ZDE wenden sich oft an mich und suchen Rat, weil sie ihren Zweck der Existenz „nicht finden können“. In diesen Situationen ist es mir wichtig, ihnen diese Frage zu stellen: könnte es sein, dass sie ihn schon „kennen“, nur noch nicht „bemerkt“ oder „anerkannt“ haben?
Hier wandle ich auf scharfem Grat, denn nur sie selbst können wirklich wissen, was sie fühlen. Es ist nicht meines. Von außen betrachtet aber (wenn ich mir vorstelle, ich wäre der Großvater), sehe ich wie stark sich manche Suchenden anstrengen, (immer und immer wieder) zu gewinnen, indem sie einen „würdigen ZDE“ finden.
Dabei könnte es sein, dass es bei dem Zweck der Existenz auch um den Prozess geht. Also um das Erleben von Museumstagen. Und zwar in ihrer ganzen Vielfalt. Mit Spin und ohne. Links herum und rechts herum.
Welchen Sinn hätte es, dies so anzunehmen? Wäre das nicht ziemlich egozentrisch? Sich selbst genug zu sein? Mag sein. Aber erstens muss das nichts Schlechtes sein, wenn es etwa ein Beispiel ist, an dem sich andere orientieren können: Authentisch sein. Und zweitens wäre es dadurch gar nicht mehr egozentrisch, sondern eher schon nach außen gerichtete Funktion.

Antworten auf diese Fragen kann letztlich niemand anders geben als der oder die „Suchende“ selbst.

Ich kann dazu bekennen, dass mir vieles, was ich oben geschrieben habe, deswegen so schnell aus der Feder fliesst, weil ich es aus eigenem Erleben kenne. Es sind meine Zweifel, die ich beschreibe. Ich habe immer wieder gefragt, kann das alles sein? Ist das genug? Habe ich nicht die Pflicht, eine grössere, würdigere Aufgabe zu erfüllen?
Irgendwann habe ich verstanden, dass meine Aufgabe, vor allem im Hinblick als Vater, aber auch als Coach, darin besteht, zu dem zu stehen, was ich fühle und was ich bin. Und siehe da: es gibt sogar Menschen, denen das ein Vorbild ist, die daraus etwas für sich erkennen und gewinnen können. Allein dafür lohnt es sich bereits für mich. Von dem, was meine Kinder daraus sehen (es ist ok, so zu sein, wie ich bin) ganz zu schweigen.

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Das Hörbuch ist übrigens hier versandkostenfrei zu bestellen:
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1 Kommentar zu „Ungeduld“

  1. Sigrid S. Wünschl

    Lieber Uwe,
    dein Beitrag kommt exakt und genau richtig – und ich freu mich, dass ich mir die Zeit genommen habe, ihn mir ZUFALLen zu lassen ;-)))
    Vielen Dank dafür. Das hilft mir grad echt weiter… Alles Liebe und bis bald, Sigrid

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